Nachlese zur ersten Fachtagung der Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut
13.03.2025
Nachlese zur ersten Fachtagung der Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut
Am 12.03.2025 fand die erste Fachtagung der Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut unter dem Titel „Energiearmut in Österreich: Herausforderungen – Perspektiven – Lösungen“ statt.
Die Veranstaltung bot einen umfassenden Einblick in aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Handlungsansätze zur Bekämpfung von Energiearmut in Österreich und brachte über 100 Expert:innen aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, NGOs und Wirtschaft zusammen.
Eröffnung und einleitende Worte zur Fachtagung
Bernd Vogl, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, betonte seine Freude darüber, dass die Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut beim Klima- und Energiefonds angesiedelt ist. Heinz Buschmann, Abteilungsleiter im Klima- und Energiefonds, verwies auf die Bedeutung der sozial-innovativen Dimension der Energiewende und hob hervor, dass hinter jeder Statistik zu Energiearmut reale Personen stehen. Die Koordinierungsstelle leiste einen wichtigen Beitrag in den Bereichen Grundlagenarbeit, Vernetzung und Informationsvermittlung. Er gab zudem einen kurzen Überblick über die für Energiearmut relevanten Schwerpunkte des neuen Regierungsprogramms und weitere Projekte des Klima- und Energiefonds, die auf soziale Aspekte der Klima-, Energie- und Mobilitätswende abzielen, etwa im Bereich Mobilitätsarmut, Fachkräfteförderung oder solidarischer Energiegemeinschaften.
Fachinput: Wissenschaftlerin des Jahres Sigrid Stagl von der WU Wien
Sigrid Stagl betonte, dass in der Energiewende alle Menschen mitgenommen werden müssen. Menschen mit geringem Einkommen tragen weniger zur Klimakrise bei, sind von dieser jedoch stärker betroffen. Viele Haushalte könnten nicht eigenständig in Solaranlagen oder Heizsysteme investieren und vor allem Mieter:innen werden selten durch Förderprogramme adressiert. Sie betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit mit vertrauensvollen Organisationen wie NGOs für die Akzeptanz von Unterstützungsleistungen sei und verwies auf das Erfolgsprojekt der Energiegemeinschaft Haunoldstein, welches durch die Demokratisierung der Energieerzeugung und -nutzung sowie die enge Begleitung der Haushalte breite Akzeptanz in der Gemeinde fand. Sie unterstrich, dass soziale Aspekte eine tragende Rolle in der Energiewende spielen müssen.
Blitzlichter: Praxisnahe Einblicke
Sechs kurze Beiträge veranschaulichten daraufhin verschiedene Aspekte der Energiearmut:
- Theater der Ver-Rückten: Anna, Hedy, Monir und Sandra von der Plattform Sichtbar Werden zeigten mit einem Theaterstück die Herausforderungen und Sparzwänge energiearmer Haushalte.
- Energiearmut aus NGO Perspektive: Johannes Wahlmüller (Global 2000) präsentierte ein neues Video, das gemeinsam mit der Volkshilfe, Caritas und der Umweltberatung Wien die Dringlichkeit von Sanierungen im mehrgeschossigen Wohnbau und die ambitionierte Umsetzung von EU-Vorgaben unterstrich.
- Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wärmewende: kea-Referentin Anna Wagner interviewte Lukas Kranzl (TU Wien) über seine Forschungserkenntnisse zur Wärmewende und dem Gebäudesektor, wobei v.a. die Notwendigkeit regulatorischer Rahmenbedingungen im Vordergrund stand.
- Energiegemeinschaft RobinPowerhood: Ein Video und Kurzimpuls von Stefan Hindinger (Mosaik) beleuchtete die Möglichkeit der Energiespende an einkommensschwache Haushalte und richtete auch den Blick auf noch ausstehende gesetzliche Rahmenbedingungen im Rahmen des ElWG.
- „Energiesparen im Haushalt: Beratung und Gerätetausch“: Aaron Bartsch (Klima- und Energiefonds) lieferte einen Einblick in das Förderprogramm und betonte die organisationsübergreifenden Kooperationen sowie die Klient:innen-zentrierte Grundhaltung, die das Programm für seine Nutzer:innen niederschwellig und attraktiv machen.
- Aufsuchende Sozialberatung durch Energieversorger: Mohamed Aboelwafa (Wien Energie) lies die Teilnehmer:innen hinter die Kulissen der Wien Energie Ombudsstelle blicken und zeigte, wie ihre gezielte und proaktive Haushaltsberatung Abschaltungen vorbeugt.
Beitrag des Klimaschutzministeriums
Jürgen Schneider, Sektionsleiter im Klimaschutzministerium, unterstrich die Bedeutung der kea als Teil der Bekämpfung von Energiearmut und wie erfreulich es sei, dass die bisher gespannten Fäden im Klimaschutz und der Energiewende in der nächsten Legislaturperiode weitergeführt werden. Er thematisierte zudem die Multidimensionalität von Energiearmut, sowie die vielfältigen negativen Folgen der fortschreitenden Klimakrise für Mensch, Umwelt und Wirtschaft.
Podiumsdiskussion: Herausforderungen und Lösungsansätze
Die hochkarätig besetzte und von Juliane Nagiller moderierte Podiumsdiskussion brachte unterschiedliche Perspektiven ein:
- Laura Allinger (Volkshilfe, Armutskonferenz) betonte, dass armutsbetroffene Menschen kaum Spielraum für Einsparungen bei Wohnen und Energie haben. Der wesentliche Hebel für die Bekämpfung von Energiearmut liegt in politischen und strukturellen Entscheidungen, insbesondere bei Energiepreisen und Gebäudesanierungen. Aus Sicht der Armutskonferenz, die eine Energiegrundsicherung für Strom und Wärme fordert, sei die Einbeziehung von Menschen mit Armutserfahrungen als Expert:innen ihrer eigenen Lebenslage zentral für jedes Vorhaben, das diese Menschen betrifft. Auch beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern müsse darauf geachtet werden, dass einkommensschwache Haushalte und Mieter:innen nicht zurückgelassen werden.
- Sigrid Stagl (WU Wien) betonte, dass die sozialen Aspekte der sozial-ökologischen Transformation stärker in den Mittelpunkt der Klimapolitik rücken müssen. Viele Förderungen seien wichtig, aber es brauche auch Maßnahmen zur Reduzierung der Energiearmut und zur Mobilisierung von Betroffenen. Energiegemeinschaften sind eine sinnvolle Möglichkeit der Teilhabe an der Energiewende, jedoch sind etwaige Barrieren für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. Sie plädiert dafür, dass Verteilungsanalysen bereits bei der Konzeption von Maßnahmen berücksichtigt werden sollten.
- Gabriele Straßegger (WKÖ) erläuterte, dass Unternehmen ebenfalls unter hohen Energiekosten leiden. Sie beeinflussen zusätzlich zu den Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. In diesem größeren wirtschaftlichen Kontext sei auch Energiearmut zu betrachten. Die Armutsgefährdung in Österreich sei im EU-Vergleich niedrig, doch Arbeitslosigkeit bleibe ein zentraler Faktor für Energiearmut und die Förderung von Beschäftigung sei daher essenziell.
- Wolfgang Urbantschitsch (E-Control) erklärte, dass Netzkosten etwa ein Drittel der gesamten Energierechnung ausmachen und warum diese in Zukunft auch weiter steigen werden. Er plädierte für eine generelle Kostensenkung in den Gasnetzen durch sukzessive Redimensionierung und Rückbau. Auch das Stromnetztarifsystem für Haushalte sollte gerechter werden und verstärkt darauf basieren, wie viel Strom Haushalte auf einmal aus dem Netz beziehen (siehe auch Leistungsmessung) – dies könnte auch energiearme Haushalte entlasten. Im Fernwärmebereich, der durch die Abkehr vom Gas an Bedeutung gewinnen wird, braucht es faire und transparente Preise.
Fazit und Ausblick
Die Fachtagung zeigte, dass Energiearmut ein vielschichtiges Problem ist, das soziale, rechtliche und politische Lösungen erfordert.
Zentrale Diskussionsthemen bei der Veranstaltung waren:
- Notwendigkeit eines zielgerichteten Sozialtarifs
- Faire Netzkostenverteilung durch leistungsspezifische Abrechnung
- Beschleunigte Sanierung und Dekarbonisierung des Wohnraums
- Bessere Beteiligungsmöglichkeiten für energiearme Haushalte an der Energiewende
Ein zentrales Fazit lautet: Die Energiewende kann nur erfolgreich sein, wenn alle mitgenommen werden. Die Diskussionen und Blitzlichter machten deutlich, dass strukturelle Veränderungen, gezielte Unterstützungsmaßnahmen und integrative Beteiligungsmöglichkeiten dafür entscheidend sind.
Die Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut wird weiterhin als zentrale Plattform zur Vernetzung und Entwicklung innovativer Lösungen fungieren. Die Erkenntnisse der Tagung werden dazu beitragen, künftige Maßnahmen noch effektiver zu gestalten.