2. Die Lage einschätzen und Interessenslagen analysieren
Bevor Sie einen Beteiligungsprozess konzipieren, ist es ratsam, Antworten auf die untenstehenden Fragen zu finden, um die Ausgangslage des Vorhabens einzuschätzen. Das kann z. B. im Rahmen einer Umfeldanalyse erfolgen.
2.1 Umfeld- und Interessensanalyse
Interessensgruppen:
- Wer ist betroffen? Betreiber:innen des Vorhabens, Planer:innen, zuständige Verwaltungsinstitutionen, Grundeigentümer:innen, Nutzer:innen, andere Interessensgruppen?
- Wie stark sind die einzelnen agierenden Gruppen, wie viel Einfluss haben sie? Wer kann das Gelingen oder das Scheitern des Vorhabens maßgeblich beeinflussen? Gibt es Vertreter:innen der involvierten Personengruppen?
- Wie stehen die Interessensgruppen zueinander? Wo gibt es Konflikte? Wo bestehen Allianzen?
- Welche inhaltlichen Positionen nehmen die einzelnen Akteur:innen ein?
- Welche Interessen liegen hinter den Positionen? Was wollen die einzelnen Akteur:innen tatsächlich erreichen?
Herausforderungen und Spannungsfelder:
- Welche Spannungsfelder und Herausforderungen treten im Zusammenhang mit dem geplanten Vorhaben auf?
- Um welche Art von Spannungen handelt es sich? Geht es um sachliche Differenzen, Beziehungsdynamiken oder unterschiedliche Ansätze zur Vorgehensweise?
- Gibt es länger zurückliegende Ursachen für die aktuellen Spannungsfelder? Was ist in der Vergangenheit geschehen? Welche Betroffenen hatten schon früher Konflikte miteinander? Welche Rolle spielen parteipolitische Konstellationen oder lokale und regionale Hierarchien und Eliten?
- Welche inhaltliche, räumliche und zeitliche Dimension haben die Spannungsfelder? Handelt es sich um begrenzte und überschaubare Spannungsfelder mit einigen wenigen involvierten Personen(gruppen) oder um komplexe, unüberschaubare und weitreichende Konflikte mit einer Vielzahl an Beteiligten(gruppen)?
- Wie stark haben sich diese Spannungsfelder bereits entwickelt? Gibt es noch Gesprächsbereitschaft und den Wunsch nach einer gemeinsamen Lösung oder wurden die Brücken zwischen den Beteiligten bereits abgebrochen?
- Wer oder was könnte zusätzliche Informationen zu den Herausforderungen und Spannungen liefern?
2.2 Gesamteinschätzung der Ausgangslage
Basierend auf den Antworten zu den oben gestellten Fragen gilt es nun, die wichtigsten Erkenntnisse zusammenzufassen, Schlussfolgerungen und Annahmen abzuleiten und die Ausgangslage gesamthaft einzuschätzen. Es ist ratsam, diese Einschätzungen mit den Initiator:innen des Vorhabens abzusprechen.
Tauschen Sie sich außerdem in einer ersten Absprache über die Schlussfolgerungen und Annahmen mit den politischen Entscheidungsträger:innen aus. Die endgültigen Entscheidungen über das weitere Vorgehen, Verbindlichkeiten und finanzielle Mittel erfolgen im nächsten Schritt.
2.3 Beteiligungsbeispiel: Ein klimafitter Hauptplatz
Die Leiterin des Umweltamtes trifft sich in einer Sitzung mit den Kolleg:innen aus den anderen Ämtern, um die Ausgangslage und die Aufgabenstellung genauer zu besprechen. In einem ersten Schritt sammeln sie gemeinsam die Maßnahmen, die im Zuge der klimafitten Umgestaltung des Hauptplatzes realisiert werden sollen: Baumpflanzungen (damit verbunden die Reduktion von Pkw-Stellplätzen und die Veränderung der Verkehrsorganisation), weitere Beschattungsmaßnahmen, die Entsiegelung von Oberflächen, das Einbringen von Wasser auf den Platz sowie eine Fassadenbegrünung beim Rathaus (und allenfalls bei weiteren Gebäuden).
Oberstes Ziel der Umgestaltung ist die Verbesserung der Aufenthaltsqualität des Platzes unter den zukünftig erwartbaren Klimabedingungen. Nach der Sitzung erstellen die Teilnehmer:innen eine Liste all jener Akteur:innen, die entweder direkt von den Maßnahmen betroffen sind oder wichtige Partner:innen bei der Umsetzung der Maßnahmen sein könnten. Weiters überlegen sie, wer möglicherweise gegen die Neugestaltung des Platzes sein könnte. Ergänzend sammeln sie alle Maßnahmen, die in den letzten Jahren im Bereich des Hauptplatzes umgesetzt wurden.
Da die Leiterin des Umweltamtes erst seit einem Jahr in der Gemeinde lebt, kann sie das soziale Umfeld nicht ausreichend einschätzen. Sie tauscht sich deshalb dazu gesondert mit der Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde aus, die die Bewohner:innen, insbesondere auch die Anrainer:innen des Hauptplatzes seit langem kennt.
Die Leiterin des Umweltamtes recherchiert auf einschlägigen Websites genauere Details zu den geplanten Anpassungsmaßnahmen und auch zu Fragen der Bürger:innenbeteiligung. Weiters kontaktiert sie mehrere Kolleg:innen aus anderen Gemeinden, die sie von gemeinsamen Veranstaltungen kennt und holt deren Informationen und Einschätzungen ein.
Nach der ersten Sondierungsphase kommt die Leiterin des Umweltamtes zum Schluss, dass die Gemeinde für die Planung und Umsetzung der Anpassungsmaßnahmen und für die Einbindung der Bevölkerung die Unterstützung durch externe Fachexpert:innen und eine externe Prozessbegleitung und Moderation in Anspruch nehmen sollte. Dies bespricht sie in einer Sitzung mit dem Bürgermeister und Leiter:innen anderer betroffener Ämter.